Die diesjährige IAA, weiterhin als
Leitmesse der Nutzfahrzeugbranche angepriesen, firmierte diesmal unter dem
sehr viel nichtssagenden Motto „Driving Tomorrow“. Dahinter verbargen sich
jedoch zahlreiche innovative Neuheiten diverser Hersteller, welche manchmal
ganz groß gefeiert, teilweise auch im Kleinen, fast schon verschämt
präsentiert wurden. Doch gerade bei letzterem lohnte sich das Hinsehen
doppelt, denn während sich der allseits präsente Begriff „elektrisierend“
bei der zehnten Elektrofahrzeugpräsentation reichlich abgenutzt präsentierte
und irgendwann in weiterem Marketingsprech unterging, waren weitere gute
Ideen eher dem aufmerksamen Messebesucher vorbehalten, der sich nicht vom
großen Tamtam beirren ließ und auch mal abseits der großen
Fahrzeughersteller stöberte. Eine in den Augen des Verfassers dieser
Zeilen herausragend gute Idee fand sich am Streetscooter, welches bei der
Post mittlerweile in über 8000 Einheiten im Einsatz ist und auch bei
privaten Kunden mehr und mehr Beliebtheit erfährt. Und wer sich jetzt
– wie ich auch – fragt, wofür ein Elektroauto überhaupt einen Filter
braucht, dem sei der Gedanke dahinter kurz näher gebracht. Der am Rahmen
befestigte Filter soll den durch Reifenabrieb und Bremsvorgänge entstehenden
Feinstaub wie ein Staubsauger aufsaugen. Ziel ist es, dass das Fahrzeug (man
spricht bei Mann+Hummel vom „Feinstaubfresser“) dadurch, dass es verkehrt,
am Ende mehr Feinstaub aus der Luft filtert als es selbst produziert. Eine
simple wie geniale Idee, bei der man sich fragt, warum da noch niemand vorher
drauf gekommen ist (wobei man anmerken muss dass der Streetscooter als Elektrofahrzeug
für ein solches Vorhaben auch eine optimale Basis ist – die bei der
Stromproduktion entstehenden [Feinstaub-]Emissionen mal nicht mit einbezogen).
Aber weg von kleinen, genialen Ideen, hin zum großen Tamtam. So gut
wie alle Hersteller standen wortwörtlich unter Strom und zeigten ihre
Lösungen für den Nah-, Fern- und Personenverkehr der Zukunft.
Wer im folgenden Messerundgang die Hersteller Solaris und VDL vermisst,
dem geht es wie vielen IAA-Messebesuchern, denn beide Hersteller sahen ihre
Zielgruppe und Geschäftspartner mittlerweile eher auf der parallel
zur IAA in Berlin stattfindenden Innotrans. Früher als schwerpunktmäßige
Fachbesuchermesse für Schienenfahrzeuge ausgerichtet scheinen sich
nun auch erste Bushersteller eher dorthin zu orientieren. Generell kann
man sich getrost die Frage stellen, warum beide Messen mit ähnlichem
Schwerpunktpublikum immer im Rhythmus von zwei Jahren zur gleichen Zeit
stattfinden müssen anstatt jährlich versetzt, und sich so gegenseitig
Besucher und Aussteller rauben.
Wie dem auch sei, nun habe ich euch genug auf die Folter gespannt und lade
euch herzlichst zu einem kleinen Rundgang über die IAA 2018 ein.
Evobus:
Wie auch in den vergangenen Jahren präsentierten sich die Evobus-Marken
Mercedes-Benz und Setra zusammen in einer Halle neben den LKW von Mercedes-Benz.
Beide Hersteller hatten interessantes im Gepäck. Wichtigste und im
Vorfeld der Messe wohl am meisten publizierte Neuerung ist der neue eCitaro.
Dieser zeigt sich mit einer vom normalen Citaro abweichenden Frontmaske,
die stark an den vor zwei Jahren auf der IAA vorgestellten Future Bus angelehnt
ist. Der Rest der eCitaro-Karosserie erscheint aber bis auf den höheren
Dachaufbau, welcher Batterien und weitere Komponenten kaschiert, konventionell.
Einzig die bislang nur vom LKW bekannten Breitreifen auf der Vorderachse
fallen noch ins Auge. Direkt daneben, fast etwas im Schatten des eCitaro
hatte man die nächste Neuheit geparkt – den Citaro Hybrid.
City Hybrid
Erstaunlich lange hat man sich bei Mercedes-Benz Zeit und hauptsächlich
dem MAN Lion’s City Hybrid das Feld überlassen. Nun aber greift man
selbstbewusst auch in diesem Segment an. Im Reisewagenbereich hat man nach
Einstellung des Travego in Europa nur noch den Tourismo im Angebot. Der vor
kurzem komplett überarbeitete Bus präsentierte sich in Hannover
als knallgelber Safety Coach. Bei all diesen hoch technisierten Neuheiten
wirkte der mitgebrachte Intouro als vierter im Bunde fast schon wie ein Mauerblümchen.
Tourismo
Setra hatte sich wieder in der gewohnten Hallenecke positioniert und ebenfalls
vier Busse im Gepäck. Früher mal für ihre besonderen (Themen-)Lackierungen
bekannt scheint man bei den Ulmern mittlerweile fast nur noch dunkles Rot
für seine 500er-Reihe zu kennen, präsentierte sich doch der ausgestellte
S 516 HDH in der seit der Präsentation der Reihe im Jahr 2012 bekannten
Farbgebung. In Richtung Kupfer zielte das Lackkleid des daneben geparkten
S 516 HD, in Reihe zwei fand sich ein grauer S 415 LE business. Die bedeutende
Neuheit, den S 531 DT, hat man fast schon ein bisschen in der Ecke versteckt.
Setra S 531 DT
Durch seine schiere Größe erlangte der neue Doppeldecker auch
so genug Aufmerksamkeit. Leider trug das ausgestellte Fahrzeug nicht das
betörend leuchtende lilane Farbkleid des ersten Pressefahrzeugs, sondern
einen rostroten Farbton, welcher der imposant-eleganten Erscheinung des Busses
nicht so recht gerecht werden wollte. Trotzdem strahlte der Bus eine Wertigkeit
aus, die auf der Messe ihresgleichen suchte, ganz getreu dem Firmenslogan
„The sign of excellence“.
Iveco:
Bei den Italienern scheint der Diesel ausgestorben zu sein – zumindest
konnte man das glauben wenn man über den Messestand schlenderte. Nicht
ohne Stolz erklärte man den kompletten Stand zur „low emission area“,
denn nicht ein konventionelles Dieselfahrzeug hatte man mit nach Hannover
gebracht. Egal ob Transporter, LKW oder Bus, der „gewöhnlichste“ Treibstoff
für die ausgestellten war wohl das compressed natural gas (CNG). Man
zeigte einen grauen Iveco Crossway LE 12 City CNG mit (wie der etwas sperrige
Name schon sagt) eben jenem CNG-Antrieb. Wer lieber unter Strom steht konnte
mit dem neuen Crealis einen recht eigenwillig gestalteten, rein elektisch
angetriebenen BRT-Gelenkbus besichtigen.
Iveco Crealis
Die Tochtermarke Heuliez stellte diesem den 12-Meter Stadtbus GX 337 E an
die Seite. Und wer gut aufgepasst hat wird sich denken können, dass
das „E“ auch hier für den elktischen Antrieb steht.
Heuliez GX 337 E
Traton AG:
Erstmals präsentierten sich in diesem Jahr alle Unternehmen der Traton
AG in einer Halle. Kochte Scania bisher immer sein eigenes Süppchen,
waren die Schweden diesmal zum ersten Mal zusammen mit Volkswagen, Neoplan
und MAN in einer Halle zu finden.
Bei MAN stand im Busbereich, wie zu erwarten war, alles im Zeichen des
neuen MAN Lion’s City.
MAN Lions City 12
An das futuristische Äußere wird man sich freilich noch gewöhnen
(müssen), die inneren Werte kommen trotz großem Rundumschlag
aber irgendwie erstaunlich bekannt daher. Notwendige Modernisierungen wurden
vorgenommen, die indirekt beleuchteten Trennscheiben inklusive Löwe
(in rot wenn die Tür geschlossen-, in grün wenn sie geöffnet
ist) strahlen im ausgestellten Messefahrzeug eine hohe Wertigkeit aus und
dienen gleichwohl als Leitfaden für Fahrgäste. Leider konnte der
Rest des Innenraums nicht restlos überzeugen. In Sachen Verarbeitung
und Haptik sollte im Detail noch einmal nachgebessert werden – hier ist
weiterhin der aktuelle Solaris Urbino 12 das viel gelobte Maß der
Dinge. Beim Antrieb zeigte MAN – wer hätte das gedacht – auch gleich
wieder zwei Alternativen zum Diesel – einen Lion’s City 18 G CNG und den
elektrischen MAN Lion’s City 12 E als Gegenstück zum eCitaro.
MAN Lions City 18 G CNG
MAN Lions City 12 E
Blaue Elemente rund um die Scheinwerfer, silberne Zierleisten zwischen vorderem
Radhaus und Dach sowie der wie beim eCitaro durchgängig hohe Dachaufbau
identifizieren den Stromer. Wer nun Lust hatte den neuen Stadtlöwen
zu „erfahren“ konnte sich von einem dieselbetriebenen Exemplar auf einer
der Linien auf dem Messegelände chauffieren lassen. Als Vertreter der
Reisezunft zeigte MAN einen Lion’s Coach, welcher für den barrierefreien
Zugang mit einem Rollstuhllift ausgestattet war. Im Außengelände
präsentierte man neben einem weiteren Lion’s Coach noch einen MAN Lion’s
Intercity. Wer genau hinsah konnte feststellen, dass dieser über veränderte
Scheinwerfer verfügte. Warum das so ist konnte (oder wollte) mit der
freundliche Herr am Bus aber nicht verraten.
MAN Lions Intercity
Fast schon erfrischend unelektrisch und durchgehend vertraut präsentierte
sich Neoplan. Das Flaggschiff Skyliner ist weiterhin absolut beeindruckend,
der Cityliner kommt langsam auch optisch in die Jahre, was durch die etwas
triste graugrüne Lackierung noch gefördert wurde, der noch junge
Tourliner zeigte sich hingegen sehr ansprechend durch die „Klebebande“ beklebt.
Neoplan Tourliner
Scania hatte neben Diesel auch wieder einige Alternativen mitgebracht.
Der Stadtbus Citywide zeigte sich als 12 Meter LE-Variante mit Hybridantrieb,
seinen Interlink MD fütterte Scania in Hannover mit Flüssiggas
(LNG). Bekannt und ohne Innovation stand der in Kooperation mit Higer gebaute
Reisebus Touring HD auf der Messe. Im Außengelände verkehrte ein
elektrischer Scania Citywide in reiner Standbusvariante.
Scania Citywide 12 LE
Bei all den Bemühungen der Marken der Traton AG der Kundschaft sowohl
im Bus- als auch im LKW Sektor umweltschonende Alternativen zum Dieselantrieb
und spritsparende Varianten aufzuzeigen erscheint es fast schon unfreiwillig
komisch, dass trotz alledem der bei Scania unvermeidliche V8 hochpoliert
zu Anfassen auf dem Messestand zu finden war.
Volvo:
Die Schweden von Volvo zeigten bekanntes, vor allem ihre Reisebusflotte.
Auch den Volvo 7900 Electric Hybrid hat man bereits vor vier Jahren gezeigt,
damals im Layout der Hamburger Hochbahn. Dieses Jahr präsentierte man
ein Cyanblau lackiertes Fahrzeug mit silbernen Stoßstangen. Für
welchen Betrieb das ausgestellte, fabrikneue Fahrzeug wohl diesmal bestimmt
ist? Ich habe da so eine Ahnung… :-) .
Volvo 7900 Electric Hybrid
Verschiedenes:
Auch kleinere Hersteller aus ferneren Ländern ziehen technologisch
nach und zeigen mittlerweile Elektrobusse.
Karsan Atak Electric
Karsan hat seinen kleinen Würfel Atak elektrisiert, Temsas überarbeiteter
Stadtbus, der wieder Avenue heißen darf, trägt als Elektrobus
den Namenszusatz Electron.
Temsa Avenue Electron
Beim tschechischen Hersteller SOR zeigte man zwei optisch auffällige
Fahrzeuge, welche mit den bisher irgendwie improvisiert aussehenden, wenig
ansprechenden Fahrzeugen des Herstellers wenig gemein haben. Leider war
nichts über die Busse in Erfahrung zu bringen – wie schon vor zwei
Jahren war der Stand von SOR bis auf die ausgestellten Busse vollkommen
verwaist.
Modellbusse:
Bei so vielen Neuerungen hatte auch Rietze alle Hände voll zu tun,
lieferte man doch sowohl die Neuheiten für MAN als auch für Mercedes-Benz
pünktlich zur Messe zu. Soll heißen: bei wem das Geld für
einen eCitaro in 1:1 nicht reicht, der kann sich zumindest einen in 1:87
ins Haus holen. Gleiches gilt für den Citaro Hybrid, der mit geändertem
Dachaufbau im Heckbereich ebenfalls rechtzeitig zur Messe fertig wurde.
MAN und Neoplan wurden mit neuen Werbemodellen aus bekannten Formen beliefert,
dazu gesellt sich der neue Lion’s City 18 G und der 12 E, letzterer entsprechend
dem ausgestellten Messefahrzeug. Länger bekannt und bereits im Lila
des ersten Pressefahrzeugs erhältlich ist der neue Setra S 531 DT. Für
ihn zeigt sich AWM verantwortlich. Für die IAA gab es das Modell im
rostroten Farbton des ausgestellten Messefahrzeugs; es wurde jedoch wie gewohnt
wieder nur an Kunden und Pressevertreter ausgegeben. Bei Temsa (!) wurde
nach vielen Jahren wieder ein Modell ausgegeben. Den Temsa Marathon des Herstellers
IDD bekam man ebenfalls geschenkt, wenn man auch Interesse an einem Fahrzeug
im größeren Maßstab hat.